Viel zu tragen

Ich trage keine Schminke, weil das nicht feministisch ist.
Ich trage keine kurzen Hosen, weil meine Beine nicht schön genug sind.
Ich trage (oder trug) kurze Haare, um aufzufallen, um aus der Reihe zu tanzen, um den Vorstellungen anderer ein Schnippchen zu schlagen.
Ich trage keine tief ausgeschnittenen Kleider, weil ich nicht will, dass man(n) mir auf die Brüste schaut.
Ich trage keine rosa, keine pinke, keine weiblichen Farben, weil ich keine „Tussi“ bin.
Ich trage Kinder auf meinem Arm, weil ich das als Frau so gut kann.
Ich trage meinen Bauch lieber eingezogen durch die Welt, weil mir dieser in manchen Momenten zu groß vorkommt.
Ich trage diese Schwere in mir, die mich fast automatisch bewertend, ja abwertend über andere Frauen urteilen lässt.
Ich (er)trage Blicke und Worte und Vorurteile und wehre mich nicht dagegen, sondern lasse sie über mich ergehen.
Ich trage diesen Funken mit mir, der mich „besonders“ und „anders“ sein lassen will.
Ich trage diese Stimme in mir, die mir sagt „ja nicht so zu sein, wie die anderen Frauen“.
Ich (beauf)trage meine Stärke, mein Selbstbewusstsein und meine Ausstrahlung, bei Ungerechtigkeiten immer laut mitzureden.
Ich trage die schweren Sachen lieber selber, weil ich „kein Mädchen“ sein will.
Ich trage dieses Paket mit mir, für alles aufstehen und protestieren zu müssen, obwohl ich manchmal lieber einfach leise und klein bin.
Ich trage die Verantwortung für alles, was mir passiert selber, weil ich stark und selbstbestimmt lebe.
Ich trage diese Überzeugung mit mir, was „in Ordnung“ und was nicht „in Ordnung“ ist, als Mädchen, als Frau, als Mutter, als Tochter.

Ich trage dieses Bild in mir, wie eine Frau zu sein hat.

Und ich frage mich, woher das alles kommt.
Und eigentlich weiß ich, woher das alles kommt.
Und eigentlich ist es an der Zeit, all diese Dinge abzulegen.
Und eigentlich ist es uneigentlich höchste Zeit, das zu tun.

Ich bin Feministin. Durch und durch.

Und lerne immer mehr, was das heißt.
Und heißen kann.

Dass ich niemandem schöne Haare, rasierte Beine, originelle Ideen oder extraordinäre Einfälle schulde.
Und dass ich niemandem unschöne Haare, unrasierte Beine, unoriginelle Ideen oder gewöhnliche Einfälle schulde.
Dass ich niemandem mein Besonderssein, meine Außergewöhnlichkeit, meine Stärke, mein Selbstbewusstsein, meinen Optimismus, meine Lebensweise schulde.
Und dass ich all diese Wunderbarkeiten nach meinem Geschmack leben darf.
Dass ich mich nicht erklären, nicht rechtfertigen muss.
Und dass ich mich erklären, mich rechtfertigen kann.
Dass ich niemandem irgendetwas beweisen muss.
Und dass ich allen etwas beweisen kann.
Dass ich meine Meinungen, Ansichten und Ideen ändern, anpassen und verwerfen kann. Immer wieder.
Und dass ich zu meinen Meinungen, Ansichten und Ideen stehen kann. Immer wieder.

Ich bin Feministin. Durch und durch.

Ich trage all diese Gedanken in mir und die Fähigkeit, in Worte zu fassen, was ich in mir trage.

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