Spiegelbildreflexion

Ich mag mein Spiegelbild. Meistens. Ich schaue gerne in den Spiegel und bin in freundschaftlichem Verhältnis damit. Im ganz wesentlichen und wortwörtlichen Sinne. Im übertragenen wirds schon etwas schwieriger…

Denn was ich nicht so mag, ist der Spiegel, den ich vorgehalten bekomme. Der Spiegel, der mir schmerzhaft klarmacht, wie verletzend manche meiner Seiten, meiner Aussagen, meiner Verhaltensweisen sein können. Mich gespiegelt in anderen Menschen zu sehen, ist ganz schön was zum Nagen für mich. Oft kommt es nicht vor. Doch wenn, dann bei Menschen, die mir in gewissen Hinsichten so ähnlich sind, dass es fast wehtut. Fast? Nein, komplett.

Mich selbst reflektiert im Spiegelbild eines anderen Menschen zu sehen, verunsichert mich. Mein Verhalten eins zu eins übertragen in einem anderen Menschen gespiegelt zu sehen, macht mich traurig und wütend und lässt mich nach innen schauen. Es ist dieses Verhalten, das ich selbst nicht lieb gewinnen kann. Es ist dieses Verhalten, von dem ich in klaren Momenten weiß, dass ich so nicht denken, sprechen, agieren möchte. Es ist dieses Verhalten, von dem ich weiß, dass es destruktiv und niederschmetternd und unfair gegenüber anderen ist.

Wut schön und gut. Ärger gesund und wichtig. Doch das meine ich gar nicht. Eher dieser Schwall an angestauten, unverdauten, viel zu lauten Wortwolken, die Gewitterstürme auslösen und in Überschwemmung und Zerstörung enden.

Da sitze ich also und beobachte mein Verhalten in einem anderen Menschen. Da sitze ich und ducke mich – vor mir selbst. Denn ich höre mich selbst in den Worten dieser anderen Person. Da sitze ich und schüttle meinen Kopf – gibt es denn wirklich keinen anderen Weg, dies oder jenes zu sagen? Da sitze ich, schließe meine Augen und atme durch. Doch es ist eher ein Seufzen, das mich verlässt.

In diesem Moment wird mir etwas klar. Ich kann aus dieser Warte aus wertvolle Beobachtungen machen. Ich kann aus dieser Ebene Dinge erkennen, die ich an mir selbst nur sehr schleierhaft wahrnehme. Ich kann durch diese Einsicht mehr Vorsicht mit mir haben. Und Nachsicht mit anderen.

Was dieses Gespiegeltwerden mit mir macht, ist sehr vielschichtig. Doch eines weiß ich: Es löst etwas in mir aus, weil ich mich von außen betrachten kann. Weil ich nicht mein Verhalten bin.

Reflektiert zu sein heißt wohl auch, reflektiert zu werden.

Vielleicht schaffe ich es eines Tages ja, auch diesem Spiegelbild in freundschaftlicher Weise zu begegnen…

, ,

Mehr zu lesen…

Erinnerungsanker
Danke, dass du mein Anker zu einer so wichtigen Zeit in meinem …
Kindisch?
Und alle schreien, dass das innere Kind Platz brauche und man sich …
Klarheitsliebe
Durch Klarheit kann ich durchschauen. Kann sehen, was sich auf der anderen …
Hinauszoomen
Zoome ich hinaus, sehe ich, wo ich bin. Sehe mich selbst von …