Kennt ihr das, wenn euch jemand Fotos einer Wohnung zeigt (oder ihr eine Unterkunft für den Urlaub bucht) und diese Wohnung dann erst später in echt zum ersten Mal seht? Im Kopf kreiere ich dann sofort Zusammenhänge und male mir Bilder der restlichen Wohnung und Aufteilung und dem Licht und allem Drumherum aus. Das passiert fast automatisch.
Wenn ich diese Wohnung dann aber zum ersten Mal sehe – oh! Welch Überraschung! Denn egal, wie viele Fotos ich gesehen habe, in echt ist es immer anders.
Dieses Phänomen gilt natürlich nicht nur für Wohnungsaufnahmen. Doch in diesen Fällen wird es so augenscheinlich, dass ein Foto halt doch nur ein Ausschnitt des Ganzen ist und sein kann. Dass es gut inszeniert oder schlecht belichtet nur einen minimalen Teil dessen darstellt, was eine Realität sein könnte. Denn Fotos sind einerseits Moment-Aufnahmen, anderseits bilden sie gefilterte Schnipsel der Wirklichkeit ab. Ohne Wertung, ist ja in beide Richtungen interessant.
Wenn ich Fotos sehe (das kann im weiten Internet sein oder im nicht ganz so weiten WhatsApp-Status oder sogar noch direkter – beim gemeinsamen Betrachten von Ausflugs- und Urlaubsfotos von anderen), dann hab ich da gleich meine eigenen Bilder dazu im Kopf. Ich stell mir das wie ein Puzzle vor, in dem das Foto ein Puzzleteil darstellt und der Rest der Situation ist halt von diesem einen Puzzleteil ausgehend echt schwierig zu beurteilen.
Je nach Stimmungslage und Nähe zur fotomachenden Person sieht dieses Bild in meinem Kopf dann anders aus. Wenn ich mich und mein Leben mit dem auf dem Foto Abgebildeten vergleiche (was besonders bei schönen Fotos ja hupsdiwups schnell passiert), dann stell ich mir das Rundherum sogar noch schöner vor.
Oder noch was – ich mag gar nicht mehr aufhören, dieser Vergleich ist auch zu einladend! – es gibt auch von mir genügend Fotos, auf denen die Stimmung davor und danach fürchterlich schlecht war, aber der Fotogrinser trotzdem sitzt. Oder die abgebildete Landschaft atemberaubend ist, ich mich aber nur an die Streiterei über die hungrige Suche nach dem richtigen Restaurant oder dem schönsten Aussichtsplatz erinnere.
Und was würde passieren, wenn wir vom gleichen Ort im selben Moment ein Foto machen? Dann wäre die Geschichte (ergo das gesamte Puzzle) rundherum trotzdem komplett anders. Weil andere Augen, andere Gedanken, andere Gefühle, anderer Mensch eben.
Wenn wir weitergehen wollen (wollen wir? Wollen wir.), dann würde das auch im übertragenen Sinne recht gut funktionieren. Denn eine Geschichte, die jemand erlebt hat, wurde durch die Augen und die Gefühle und den Hintergrund dieser Person gesehen und durchlebt. Von außen mag es zwar so scheinen, als würden wir wissen, wie es war, doch die Wahrheit ist – das geht nicht.
Und so möchte ich mit diesem kleinen Beispiel aufzeigen, dass Fotos erstens super sind und zweitens ordentlich täuschen können. Dass wir immer nur einen Ausschnitt sehen können, die gesamte Geschichte rundherum aber immer bei denen bleibt, die sie erlebt haben.
Was wir jetzt damit anfangen, können ja alle für sich entscheiden.