„Passagiere mit der Fahrt nach Denklandia bitte einsteigen. Letzter Aufruf! Zerdenkende, sorgende, zweifelnde Passagiere bitte. Das ist der letzte Aufruf.“
Es rattert und zischt, die Lok dampft. Laut, immer lauter werden die Gedanken, die den Zug befeuern. Schnell noch hüpfe ich vom sicher scheinenden Bahnsteig in dieses qualmende Monstrum. Spüre zwar mein Herz rasen, doch nicht mitzufahren ist keine Alternative.
Von innen scheint es hier ganz gesittet zuzugehen. Was ich beobachte, macht Sinn. So wirds sein. Ja. Genau. Ich schaue handfesten Daten und Fakten in die Augen. Stelle fest, dass das, was die Gestalten in den Gängen und Abteilen diskutieren, von Wichtigkeit sein muss.
Anfänglich noch auf den Schienen, entgleist der Gedankenzug im nächsten Moment. Und ich merke, hier ist etwas faul.
Halt! Warte! Ich will aussteigen!
Doch keine Chance. Der Gedankenzug hat Fahrt aufgenommen. Und mit ihm all die Sorgen und Zweifel, Kreiselbewegungen und Abwärtsspiralen. Ich bin Mitreisende der ersten Stunde. Mein Gedankenzug rattert an mir vorbei und ich sitze darin. Wie das gehen soll? Das ist in diesem Moment zweitrangig. Denn meine Gedanken erdenken sich all das. Doch das weiß ich noch nicht.
Aus den vorbeifahrenden Fenstern winken und rufen mir kleine und große Gedanken aufgeregt zu: „Hast du uns gesehen? Hier sind wir! Halloooo!!“
In den Wagons tummeln sich Probleme, die nur darauf warten, nicht gelöst zu werden. Sie machen sich groß, nehmen viel zu viel Platz ein und bestellen sich an der Bar Getränke, die sie wichtiger erscheinen lassen.
Die Wut wandelt durch die Gänge, sie findet keine Ruhe in all dem Tumult. Wie soll sie sich denn entfalten in diesem Chaos? Nicht lange darauf lässt sie sich nieder in einer gesprächigen Gruppe von Selbstzweifeln, Zukunftskonstrukten und Sorgenpüppchen, die so gar nicht entzückend aussehen.
Unsicherheit ist der Nährboden für den Gedankenzug, die Kohle, die ihm gefüttert wird. „Aber es gibt doch keine Sicherheit“, will mein Verstand da noch rufen, doch am Zugklo eingeschlossen, wird er sowieso nicht gehört.
Lokführerin ist die Zukunft, die dahin prescht, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Gedankenzug hat nun seine Maximalgeschwindigkeit erreicht – denke ich – und flitzt zum 100. Mal vor meinem geistigen Auge vorbei. Ein Teil von mir sitzt brav und vollkommen überfordert auf dem zugewiesenen Sitzplatz.
Ich höre Destruktion und Aggression lauthals mit dem Vertrauen streiten, sie lassen ihm keine Chance. Kein Wörtchen darf es sagen, alles wird im Keim erstickt. Pessimismus verkauft bittersüße Snacks, doch die kaufe ich ihm nicht ab.
Gibt es denn bei diesem Zug keine Haltestellen? Wo sind die Bahnhöfe?
Die Bremse!
Ich springe auf, renne zum Fenster: Dort ist sie, die Notfallbremse! Ich ziehe sie mit all meiner Kraft, schließe die Augen. Nehme einen tiefen Atemzug nach dem anderen und merke, wie der Gedankenzug schleppend langsamer wird.
Puh.
Was für eine Fahrt.