Da mir in den letzten Tagen so einige Dinge zum Thema Reisen hier eingefallen sind, möchte ich euch heute ein paar dieser Gedankenblitze und Alltagsmomentaufnahmen mit euch teilen.
Nummer 1 – Luft
Wie ihr ja wisst, sind wir in Bolivien und mittlerweile hier in Peru unterwegs. Und was es hier neben Märkten, lauten Straßen und bunten Stoffen noch gibt, ist eine ungeheure Höhenlage. Und diese bringt so einige Strapazen mit sich. Noch nie habe ich das so in meinem Körper gespürt, was die Welt mit mir macht. Aber in diesen letzten Wochen merke ich immer wieder, wie schnell ich außer Atem bin, wie sehr die dünne Luft auf meine Lungen drückt und wie oft ich das auch wieder vergesse und mir denke, das kanns doch nicht sein! Warum kann ich schon wieder nicht atmen?! Hier seht ihr mich überglücklich und zur Abwechslung mit Luft in einer der Gondeln hoch über La Paz:
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Vor ein paar Tagen ist mir dann was passiert, das ich bisher noch gar nicht kannte. Und zwar haben wir auf unseren Nachtbus gewartet (und gewartet und gewartet), ich war übermüdet und plötzlich ist mir so schwindelig geworden, dass ich fast umgekippt wäre. Hui! Das war was! Zweimal hat es mich fast donidraht (haha, dieses Wort trifft es einfach passend!), zum Glück ist es dann besser geworden und beim nächsten Mal weiß ich schon, was ich tun muss und zwar:
Nummer 2 – Coca-Blätter
Gegen diese Höhenluft und -schwindeligkeit hilft diese Pflanze nämlich besonders gut! Seit Jahrhunderten (wenn nicht Jahrtausenden) wird die Pflanze hier in den Andenregionen bis nach Kolumbien hinauf konsumiert und hilft so gegen Müdigkeit, Schwindel, Hunger und Höhenkrankheit, weil sie die Sauerstoffaufnahme erleichtert. Und so trinken wir (fast) immer, wenn wir im Bus längere Strecken fahren oder eine Wanderung machen, Coca-Tee. Auch Kokain wird von der gleichen Pflanze hergestellt – aber keine Angst, der Tee ist harmlos, hilft in diesen Mengen und dieser Konzentration aber sehr! Und die gute Wirkung merken wir immer gleich, sehr praktisch also!
Nummer 3 – Regen
Ach Leute. Es regnet so viel hier in der Gegend, in der wir unterwegs sind. Ja, es ist Regenzeit. Und ja, wir hätten uns vielleicht vorab etwas besser informieren können. Aber dass es so viel regnet, damit haben wir nicht gerechnet. Der Regen an sich ist ja schön – alles wächst und gedeiht. Wasser ist Leben. Aber – und das ist besonders beim Reisen nicht schön – wenn alles nass ist, weil es den ganzen Tag regnet, die Unterkunft eisig kalt ist, es weit und breit nicht den Anschein einer Heizung oder Sonnenstrahlen gibt, dann ist das einfach anstrengend.
Wir werden zum Glück immer kreativer – Gastóns neuer Trend heißt: Zeitungspapier statt Socken, meine Devise lautet: Wir nutzen alle nicht-nassen Flächen und breiten unsere Kleidung darauf aus. Und irgendwie wird immer alles gut – und trocken. Jetzt zum Beispiel hängt meine Hose am Sitz vor mir im Bus, denn hier gibt es so etwas wie eine Heizung.
Nummer 4 – Klos
Die Anzahl an lustigen Klos nimmt pro Kilometer zu, ob im Bus, im Eco-Hostel oder irgendwo im Wald. Besonders beim Reisen gehört ein gewisses Abstandnehmen vom Luxus dazu. Das geht damit einher, dass man Wasser im Klo aus einer Tonne ins Klo schütten muss oder mitten in der Nacht das gemütlich warme Bett verlassen und über den Hof zum zusammengeschusterten Klo wandern muss. Im Bus währenddessen wird man auf cirka 15 Schildern freundlich und warnend darauf hingewiesen, dass man nur Pipi machen darf und dabei schleudert es einen wegen der ganzen Bergstraßen im ganzen Klöchen (die sind so klein, dass sie eine Verkleinerungsform verdienen) wie wild herum.
Da die Spülungen auch nicht so stark sind, wird das Papier ausschließlich und überall in den Mistkübel neben dem Klo geschmissen. Wie der Geruch da sein kann, darf sich jede und jeder selbst vorstellen. Ich bevorzuge in einigen Fällen dann einfach oft das Freiluftklo hinter einem Baum, Stein oder irgendwo im Gebüsch.
Nummer 5 – Herbergssuche
Was jedes Mal wieder ein Abenteuer ist, ist das (Aus-)Suchen einer Wohnung für die kommenden Tage. Mal wollen wir ganz alleine sein, mal trauen wir uns in ein Hostel. Mal möchten wir die bestmöglich ausgestattete Küche, mal reicht uns ein gemütliches Bettchen. Mal planen wir im Voraus, mal kommen wir an und lassen uns von den Angeboten überraschen.
Besonders genießen wir die Zeit, wenn wir eine kleine feine Wohnung mit eigener Küche haben, aus dem Hostel-Sozializing-Alter sind wir beide irgendwie draußen. Wir versuchens immer wieder, und kommen immer wieder drauf, dass wir doch gern unsere Sachen zu unserer Zeit machen wollen. Und das womöglich ohne Smalltalk über unsere Reise zu führen. Klingt hart, ist aber so. Gastón ist super begabt im preiswerte Wohnungen finden, schreibt dann auf Spanisch mit den Leuten, organisiert und sucht den Weg raus. Ich sitze dankbar daneben und freue mich, so einen praktischen (Reise-)Partner zu haben.
Nummer 6 – Busfahrten
Busse. Wie viele wir schon genommen haben, kann ich gar nicht sagen. Es waren viele. Viele lange Fahrten. Fahrten am Tag und in der Nacht. Bei Regen und bei Hitze. Oh Busfahrten. Und wisst ihr was? Ich mag sie immer noch. Besonders die Nachtbusfahrten finde ich sehr gemütlich. Wahrscheinlich weil ich dieses kleine Hüttengefühl so mag! Hüttengefühl, weil es sich anfühlt, als wär man in einer Kapsel und alles rundherum ist egal, weil es drinnen so gemütlich ist. Und die Busse hier haben echten Gemütlichkeitsfaktor! Mit Decke und Zurücklehnen bis fast 180 Grad, schön warm und beim Einschlafen an einem anderen Ort als beim Aufwachen. Sehr besonders, diese Busfahrten.
Nummer 7 – Märkte
Oh diese Farben! Oh diese Vielfalt! Oh dieses bunte Treiben! Oh diese Märkte! Immer wieder schlendern wir durch die Lebensmittel-Haushalts-Tante-Emma-Laden-Märkte und erfreuen uns an all der Buntheit, die diese zu bieten haben. So viele Früchte, deren Namen, geschweigedenn Geschmack uns neu sind. So viele Farben der Gewürze und getrockneten Kräuter. So viel Krimskrams, dass ich mich immer wieder frage: Wer kauft das alles?!
Märkte haben etwas ganz Besonderes. Und sind auch anstrengend. Oft kaufen wir nur eine Kleinigkeit und lassen uns von den Massen treiben, bleiben innehaltend stehen oder genießen einfach die Magie an diesen Orten. Eine Sache, die mich besonders freut, ist, dass es fast auf jedem Markt mindestens fünf Stände gibt, an denen frische Frucht- und Gemüsesäfte und Obstsalate angeboten werden! Da wird das Herumschlendern gleich noch besser!
Nummer 8 – Menschheitsgeschichten
Wie viele Gedanken ich mir hier über die Zusammenhänge der Welt mache, ist kaum vergleichbar mit dem, was ich bisher getan habe. Zumindest in diesem Kontext. Wie viele Fragen ich und wir uns stellen: Wie war das Leben vor der „Entdeckung“ Amerikas? Wo ist Kolumbus gelandet und warum lernen wir in der Schule nur so einseitig darüber? Was hat es mit „Zivilisierung“ zu tun und warum hatten die Incas so ein riesengroßes Reich? Wie konnten die Sprachen (in Bolivien sind es neben Spanisch noch andere 35 anerkannte offizielle Sprachen) bis heute bestehen?
Woher kommen diese Sprachen und warum habe ich mich noch nie gefragt, warum ein gesamter Kontinent Spanisch (und Portugiesisch, Französisch und Niederländisch) spricht? So weit weg von Spanien (Portugal, Frankreich und den Niederlanden)? Wie kann es sein, dass in Bolivien 90% der Bevölkerung indigen ist, während es in Argentinien gerade einmal 10% sind? Und woher kommen diese anderen 90% dann? So viele Fragen, so viele Gedanken, so viele Geschichten – diese Menschheitsgeschichten.
Nummer 9 – Badezimmer-Minimalismus
Wir reisen im Moment mit recht wenig Gepäck – wir beide haben einen Handgepäcksrucksack, der um die 8 Kilo wiegt. Und trotzdem haben wir immer wieder das Gefühl, dass es weniger sein könnte. Dass wir doch weniger Sachen brauchen, als wir mitgebracht haben. Eine Sache, die wir wirklich minimalistisch betreiben, ist die Badezimmerausstattung. Wir haben ein Stück Seife und unsere Zahnbürsten.
Shampoo verwenden wir beide nicht – darauf bin ich übrigens besonders stolz: Seit September wasche ich meine Haare nur noch mit Wasser und es funktioniert! Stellt euch das mal vor! All das Plastikverpackungs-Chemie-Zeug brauche ich nicht mehr! Manches Mal funktioniert es nur solala, meistens bin ich so glücklich darüber, dass sich meine Haare auf diesen Rhythmus eingestellt haben. Ich merke sofort die Wasserqualität und manchmal muss ich einfach mit mit nicht so feschen Haaren leben. Aber meistens bin ich so zufrieden, diesen Weg eingeschlagen zu haben! Ein Hoch auf den (nachhaltigen, umweltschonenden, gesunden, günstigen) Minimalismus!
Das wars mal mit den Momentaufnahmen. Wir sind jetzt in Peru, in Cusco genauergesagt. Die Stadt war die „Hauptstadt“ des Inca-Reichs und zeugt auch heute noch von ganz viel Kultur und Geschichte. Sehr interessant! Wir werden die nächsten Tage hierbleiben, weil wir so eine gemütliche Wohnung (mit Küche! Endlich können wir unsere superguten Speisen wieder selbst zubereiten!) gefunden haben.
Vor ein paar Tagen haben wir in Puno (das ist bereits Peru) eine schwimmende Insel-Stadt auf dem Titicaca-See besucht. Die Menschen sind vor 500 Jahren vor den Incas auf den See geflohen und haben sich dort „sesshaft“ gemacht. Die Inseln sind aus Seegras, die Häuser auch. Schule und Krankenhaus gibt es auf einer Insel, Restaurant und Solaranlagen auf der anderen. Ein paar der Bewohnerinnen haben eine kleine Show für uns gemacht, wir durften uns verkleiden, mit dem Boot fahren und die Einzigartigkeit dieser Stadt genießen. Sehr spannend bisher, dieses Peru.
Ihr lest von mir.
• K •
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