Eine Momentaufnahme.
Wir sind in einem Apartment in La Paz. Neben dem Fenster schweben die eifrigen Gondeln auf und ab. Gastón spielt auf seiner Charango (ein traditionelles 12-Saiten-Instrument aus Nordargentinien und Bolivien). In der Küche riecht es nach Quinoa.
Bolivien.
Seit etwas mehr als einer Woche befinden wir uns nun in diesem Land voller Widersprüchlichkeiten, weiter Landschaften, Flamingos, Lamas, Schnee und ganz viel Tohuwabohu.
Bolivien.
Ein Land, das ich ganz anders eingeschätzt habe. Ein Land, von dem ich bisher nicht viel gehört oder gesehen habe. Zumindest nicht bewusst. Ein Land, das mich ab den ersten Momenten mit seiner Buntheit, seiner Vielfältigkeit, seinen Menschen, seinen Landschaften überzeugt hat.
Bereits nach ein paar Tagen hier haben wir uns entschlossen, ein (touristisches) Abenteuer zu buchen. (Ja, man kann Abenteuer buchen. Was dabei rauskommt, das ist aber nicht immer alles inklusive.). Von Tupiza, das liegt im Süden Boliviens, nach Uyuni wollen wir reisen. Eine mehrtägige Tour, vorbei an bunten Lagunen, Lamaherden und Vulkanen bis zur größten Salzwüste der Welt. Das wollen wir, das machen wir.
Und so sind wir gemeinsam mit einer kleinen internationalen Gruppe, einer Köchin, zwei Guides in zwei Allradfahrzeugen aufgebrochen. Und nichtsahnend sind wir durch bergige Straßen, rauf und runter getuckert, haben ein Mittagessen in der Wildnis genossen und im Jeep über dies und das geplaudert. Bis es plötzlich zu regnen angefangen hat.
Der Regen hier in der Regenzeit lässt nicht mit sich scherzen. Das sag ich euch. Der Regen hier macht kleine Rinnsale zu Flüssen, Flüsse zu Seen und Straßen zu unbefahrbaren Gatschmassen. Und mitten in diesen Gatsch-Wasser-Massen nun zwei Jeeps geladen mit Erwartungen und ganz viel Gepäck. Geladen mit dem Essen für die nächsten Tage, dem kompletten Gepäck aller Mitreisenden und der immer tiefer sinkenden Motivation dieser.
Nach einem äußerst traurig aussehenden Flamingo, alleine in seiner grauen Wasserlatsche, einer Reifenpanne und zwölf Stunden im Auto, haben wir dann dank unserer ausgesprochen kompetenten Guides eine Unterkunft für die erste Nacht gefunden. Kalt, durchnässt – wir sowie unser gesamtes Gepäck – und unruhig, was die nächsten Tage bringen werden, haben wir die Nacht auf Matratzen am Boden verbracht.
Am nächsten Morgen ging es dann weiter, das Wetter meinte es etwas besser mit uns und so beschlossen wir, einen Um-Weg über die Berge zu nehmen, um dem Regen etwas zu entkommen. Und was passiert mit Regen, dem es zu kalt wird? Schnee! Richtig! Vorbei an unendlichen Weiten, ging es in Landschaften, von denen ich bisher nur träumen konnte. Rote Steinwüste, im Hintergrund angezuckerte Vulkane. Vorbei an tiefen Schneelandschaften, grasenden Lamas, bunten Lagunen. Hin zu Vulkansteinskulpturen, die die Fantasie erwecken, rosafarbenen Wolken, Flamigos, soweit das Auge reicht.
Auch durch Ortschaften sind wir gefahren. Ortschaften, die von Minenarbeit und Tourismus leben. Häuschen, die aus Lehmziegeln gebaut sind, die Dächer aus Wellblech mit Steinen befestigt. Und in einer dieser Ortschaften haben wir unsere zweite Nacht verbracht. Alle gemeinsam in einem Raum, Heizung gab es nicht. Dafür ganz viele Decken, heißen Tee und gemeinsames Essen.
Unsere Gruppe hat sich in diesen Tagen unter diesen Umständen ziemlich gut kennengelernt. Wir waren mit Leuten aus Irland und Schweden im Auto, im anderen waren Franzosen und eine Italienerin. Unsere Guides und die Köchin waren aus Bolivien und haben ihre Arbeit sehr ernst genommen. Immer wieder haben sie uns informiert, in die Entscheidungen miteinbezogen und ihre Arbeit so gut gemacht. Gastón hat auch für einen Gruppen-Insider gesorgt: Am zweiten Tag hat er seinen Ehering nämlich verloren. Und nachdem wir ihn im Schnee gefunden haben, hat er sich gedacht, er verliert ihn gleich nochmal. Und wir haben ihn wieder gefunden. Irgendwo zwischen allem Gepäck. So ein Glück! Und ein Running (oder soll ich Ringing sagen? Haa.) Gag noch dazu!
Am dritten Tag hat sich die Wetterlage verbessert und so konnten wir unsere Tour wie geplant fortsetzen – wieder an Vulkanen, grasenden Vicuñas (die Vorfahren der domestizierten Lamas) und Quinoa-Plantagen vorbei zu riesigen Steinformationen und einer schwarzen Lagune. Diese ist umgeben von roten Felsen und einer schier unechten Landschaft – Grashügel, Wassertümpeln, Lamas und der unendlichen Stille bolivianischer Wildnis.
Auf dem Weg nach Uyuni haben wir wieder in paar Mal Halt gemacht, ein Mittagessen on the road genossen, einen Condor über einer Schlucht fliegend beobachtet und uns an der Landschaft erfreut. Ich kann es gar nicht oft genug sagen, wie hin und weg ich von dieser Vielfältigkeit hier bin! Die Farben, die Weiten, die Höhen. Alles scheint einfach ruhig dazusein und darauf zu warten, bestaunt zu werden.
In Uyuni angekommen, hat es wieder stark zu regnen begonnen und wir konnten unseren geplanten Sonnenuntergang in der Salzwüste nicht sehen. Stattdessen haben wir die Nacht in einem Salzhostel verbracht – ja, ihr lest richtig. Ein Hostel, das komplett aus Salz gebaut ist. Die Betten, die Sessel, die Wände. Alles aus Salz.
Am nächsten Morgen haben wir uns bereits um kurz nach 5 Uhr aufgemacht in die Salzwüste – und wurden mit einem unglaublich schönen, beruhigenden, faszinierenden, unendlichen Sonnenaufgang belohnt. Da gerade Regenzeit ist, liegt auf der Salzweite (das war übrigens vor Tausenden von Jahren ein Salzsee) Wasser. Und so spiegelt sich alles, ja wirklich alles, was rundherum passiert, darin.
Nach dem Frühstück im Salzhotel, mitten am Spiegelsee haben wir natürlich noch ein paar sehenswerte Schnappschüsse macht. Für mich war das eine Riesenfreude, barfuß durch die Wasser-Spiegelfläche zu springen, zu turnen, optische Illusionen zu inszenieren und dabei die Einzigartigkeit dieser Momente zu genießen.
Nach diesen vier Tagen voller Abenteuer, lustigen und ernsten Momenten, nach Tränen der Erschöpfung, nach Staunen und Innehalten und mit einem Gefühl von erfüllender Dankbarkeit, einen so wundervollen Teil dieser Erde kennengelernt zu haben, sind wir im Nachtbus nach La Paz gefahren.
Hier genießen wir den Komfort einer Dusche, des mit Abstand besten öffentlichen Verkehrsmittels, das ich je erlebt habe (dem Mi Téléferico – das ist die Seilbahn, die die bergige Landschaft in dieser Stadt um einiges leichter miteinander verbindet und bei jeder Fahrt einer atemberaubenden Sicht auf die Stadt erlaubt). Wir genießen die vielfältigen Möglichkeiten essen zu gehen oder nur durch das Gewimmel in den Märkten und den von bunten Stoffen gesäumten Straßen zu schlendern.
Bei uns ist es gerade Mittag. Wir haben einen gemütlichen Vormittag in unserer AirBnB-Wohnung hinter uns. Gastón überlegt sich Routen für die nächsten Wochen, in der Küche riecht es nach Quinoa, draußen hat es 7 Grad. Wir haben vor, wieder ein bisschen mit der Seilbahn die Stadt zu erkunden und am Abend gönnen wir uns ein Flitterwochen-Dinner in einem der feinsten veganen Lokale des Kontinents.
Bolivien.
Ich freu mich auf das, was kommt und erfreue mich an dem, was war. Wie wunderbar schön doch das Reisen ist. Wie abwechslungsreich, fordernd, atemberaubend, friedlich und lebensgeisterweckend das Erleben der Fremde doch sein kann.
Bolivien. Ich schätze dich sehr.
• Deine (eure) K. •
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